Projekte

Dr. iur. Harald Maihold


Personalität der Strafe in der Geschichte des Strafrechts

Die aktuelle Entwicklung im Strafrecht, namentlich auch die Debatte um ein „Feindstrafrecht“, hat in der frühen Strafrechtswissenschaft eine Parallele in den Diskussionen um „Ausnahmeverbrechen“ (crimina excepta), Fälle von Schwerstkriminalität, in denen nach zeitgenössischer Lehre sowohl vom ordentlichen Strafverfahren als auch von zentralen materiellen Grundsätzen des Strafrechts abgewichen werden durfte. Die Grundsätze des modernen Strafrechts werden in ihrem Prinzipiencharakter erst im 16. Jahrhundert in der Spanischen Spätscholastik im Rückgriff auf die theologische Schuldlehre Thomas von Aquins voll entwickelt. Der Verbrechensbegriff wurde subjektiviert, die Strafe an die Person des Täters gebunden und mit einem „sittlichen Tadel“ verknüpft. Neben der „Strafe für fremde Schuld“, z.B. der Kinder für die Eltern, innerhalb von Verbänden oder bei der strafrechtlichen Erbenhaftung, gehören hierzu alle „Strafen“, die nicht an einer menschlichen Person vollzogen werden, wie an Tieren und leblosen Sachen, an Bildnissen und Leichnamen. Unter Berufung auf die Schwere des Verbrechens wurden auch Verfahrenseinleitungen gegen Kleriker und Beweiserleichterungen legitimiert. So wurden übel beleumundete Zeugen zugelassen, die Schwelle zur Anwendung der Folter war herabgesetzt und ihre Grenzen ausgehebelt. Schließlich konnten bei schweren Delikten auch außerordentliche Ermessensstrafen und Verdachtsstrafen ausgesprochen werden. Diese Phänomene sollen, auch unter Einbeziehung interkultureller Aspekte, einer umfassenden historischen Betrachtung zugeführt und dabei auch die Frage geklärt werden, inwiefern die Lehre über einzelne Fallgruppen hinaus überhaupt eine homogene Struktur aufwies. 


Individuum, Gemeinschaft und Gewissen

Die Verantwortung des Individuums vor der Gemeinschaft und seinem Gewissen ist auch Gegenstand eines rechtsphilosophischen Projekts. Dazu gehört einmal die Frage, ob ausschliesslich Individuen oder, in gewissen Grenzen, auch Kollektive (z.B. die Kirche) „Schuld“ oder „Verantwortung“ tragen können und wie eine solche Verantwortlichkeit begriffen werden kann. Hinsichtlich der Verantwortung des Individuums vor seinem Gewissen stellt sich die Frage, inwieweit das Gewissen von der staatlichen Gemeinschaft respektiert und geschützt werden muss, und wie es durch rechtliche Institutionen, etwa die demokratische Repräsentation, entlastet werden kann. Hierzu gehört auch eine Untersuchung zur Abgrenzung von forum internum und forum externum, die in Zusammenarbeit mit dem Frankfurter LOEWE-Schwerpunkt „Außergerichtliche & gerichtliche Konfliktlösung“ stand. Durch das Nebeneinander von nichtöffentlichem „Gewissensgericht“ und öffentlichem Gerichtsverfahren in den kirchlichen Ritualen aus der Sicht der moraltheologischen und juristischen Literatur der frühen Neuzeit lassen sich die theoretischen Strukturen für die Abgrenzung gerichtlicher und vor- bzw. außergerichtlicher Konfliktlösung historisch-exemplarisch untersuchen.


Strafrechtliche Verantwortung und Garantenpflichtdogmatik

Die Entstehungsgründe der Garantenpflichten, insbesondere der sog. „institutionellen“ oder „sozialen Solidaritätspflichten“ (z.B. der Eltern gegenüber ihren Kindern, der Ehegatten untereinander oder Pflichten gegenüber dem Staat oder anderen Kollektiven) bedürfen noch der präzisen dogmatischen Begründung. Der einzige erfolgversprechende Weg scheint über eine Klärung des im Strafrecht geltenden Verantwortungsbegriffes zu führen. Demnach lassen sich auch unter Verzicht auf das Solidaritätsprinzip, verstanden als Zukunfts- oder Zielverantwortlichkeit des Pflichtigen, und unter Beschränkung auf eine individuelle Unrechtsverantwortung tragfähige Ergebnisse erzielen.